Kommentar – Betreuungsgeld: Es nervt langsam
von Waltraud Taschner
Was eigentlich ist so schwer daran, einfach mal auf die Argumente des politischen Gegners einzugehen, statt kritische Einwürfe bulldozergleich niederzuwalzen? Nichts anderes tut die CSU beim strittigen Thema Betreuungsgeld seit Jahren. Neuester Aufreger: die großangelegte Umfrage des Deutschen Jugendinstituts und der Universität Dortmund. Sie ergab, dass Eltern aus bildungsfernen Schichten und auch Migranten deutlich häufiger als andere Betreuungsgeld beantragen. Das ist deshalb ungünstig für die Kleinen, weil diese Eltern dem Nachwuchs nicht die gleiche (Sprach-)Förderung bieten können wie das Fachpersonal in einer Kita. Bedauerlich ist dabei: Ein beträchtlicher Teil der genannten Eltern sagt, der materielle Anreiz, also die monatlich jetzt 150 Euro, sei der Hauptgrund dafür, die heimische Betreuung einer öffentlichen Kindertagesstätte vorzuziehen.
Auch wenn die Wissenschaftler wegen eines Rechenfehlers zunächst drastischere Zahlen vorgelegt hatten: Die Tatsache, dass der Bildungsstatus der Eltern eng damit verknüpft ist, wie häufig Betreuungsgeld beantragt wird, bleibt ein trauriges Faktum. Das müsste auch die CSU einsehen, die – völlig zu Recht – ständig bessere Sprachkenntnisse gerade von Migranten fordert.
Dass die CSU gern so tut, als spräche man pauschal allen Eltern die Erziehungskompetenz ab, ist unredlich. Niemandem soll doch verboten werden, sein Kind selbst zu betreuen, keiner will die Kita-Pflicht. Schlichtweg lächerlich ist es, die hohe Nachfrage nach dem Betreuungsgeld regelmäßig als Erfolgsmeldung zu bejubeln. Dass finanzielle Wohltaten des Staates gern genommen werden, ist nicht verwunderlich und wird von der CSU im Übrigen auch sonst nicht belobigt.
Schon immer ärgerlich sind im Übrigen die grundlegenden Mängel des Betreuungsgelds: dass das berufstätige Chefarztehepaar mit Privatkindermädchen Anspruch auf Betreuungsgeld hat – nicht aber die alleinerziehende Mutter, die ihr Kind ineine öffentliche Kita bringt, um arbeiten zu können. Oder dass der Staat in keinem anderen Bereich Geld dafür zahlt, dass öffentliche Angebote nicht in Anspruch genommen werden – was ist mit denen, die nicht in öffentlich subventionierte Theater gehen, nicht Bus fahren oder keine Autobahn nutzen?
Auch wenn Horst Seehofer seinen von der Opposition ersonnenen Schmähnamen Drehhofer hasst – seine Neigung, auch mal umzudenken betont der Ministerpräsident mit Vorliebe. Er sehe es gern, wenn Politiker „lernfähig“ seien, sagte er kürzlich. Falls das auch in der Causa Betreuungsgeld gilt, wäre es schön, wenn Seehofer seine Mannschaft ermuntert, einfach mal ein paar Fakten zur Kenntnis zu nehmen.
Quelle: Bayerische Staatszeitung Nr. 31 vom 01.08.2014
Antwort von Dr. Thomas Goppel, MdL auf
Waltraud Taschner: Betreuungsgeld – Es nervt langsam
Es ist interessant, wie unterschiedliche Grundeinstellungen die gesellschaftlichen, auch die journalistischen Perspektiven zu diesem Thema verschieben. Da wird es nach und nach zur Mode, inzwischen auch zur gesellschaftlichen Regel, dass Eltern ihre Kinder abgeben und nicht mehr selbst aufziehen. Im zweiten Schritt geben sie die Kinder sogar schon ab, wenn diese noch ganz unselbständig sind und eigentlich der pfleglichen Dauerzuwendung bedürfen. Der Staat kommt zuerst denjenigen zu Hilfe, die, weil sie allein zu Hause und/oder finanziell unterversorgt sind, tagsüber zwingend einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen. Weil das Schule macht, verändert das die Erwartungen an den Staat, Eltern von ihrer Erziehungsaufgabe zu entlasten, mit gesellschaftlich finanziertem Personal an ihre Stelle zu treten. Neben die Kindergärten treten die Kindertagesstätten und jetzt auch die frühe persönliche Kleinkindbetreuung, die Müttern (oder Vätern) aber zeitgleich ein Herzensanliegen geworden ist bzw. mit dem Betreuungsgeld (Herdprämie, wie es von den Gegnern getauft wurde, sagt viel über die Denke der anderen Seite) wieder werden könnte. Im Bundestag verwehrt zeitgleich eine Mehrheit der Abgeordneten diesem elterlichen Anspruch Unterstützung und Förderung. Durch nichts ist bewiesen, dass die Betreuung der Kleinkinder durch Dritte, fremde, jedenfalls wechselnde Erwachsene bessere Ergebnisse erzielt als die elterliche Hinwendung und Liebe. Auch sie kostet. Zeit und Geld. Betreuungsgeld eben.
Lange Diskussionen gingen bis 2013 einem zaghaften Beschluss voraus, sind längst nicht zu Ende. Jetzt bekommt der erziehungswillige Elternteil daheim 150€/Monat. Das Betreuungsgeld, wie diese parlamentarische Behelfsmaßnahme auf Wunsch der CSU heißt, kann zwar mit den Aufwendungen des Staates für die von ihm betreuten Kinder nicht Schritt halten, ist eher ein Almosen, aber es zieht. Viele Eltern machen davon Gebrauch. Aus allen gesellschaftlichen Schichten. Sie verwirklichen das Ziel unserer Verfassung, die familiäre Einheit aus Eltern und Kindern zu wahren, nicht zu zerstören.
Alle wissen: Ein ehrliches Betreuungsgeld sollte in der Höhe ausbezahlt werden, die der Staat für Fremdbetreuung aufzuwenden bereit ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann ganz andere Konstellationen familiärer Zuwendung im Bestand gewahrt werden könnten, rechnet nicht nur keiner aus, sondern ist inzwischen längst verpönt zu denken.
Darf man unter solchen Voraussetzungen eine „genervte Journalistin“ fragen, wer da mehr Grund hat, Nerven zu zeigen: Die Eltern, denen man die Zuwendung zu ihren Kindern selbst bei einem Almosen verwehren, abgewöhnen oder uninteressant machen will oder die Sympathisanten einer weiteren Vergesellschaftung des generativen Erziehungsauftrags? Was mich nervt, ist die Selbstverständlichkeit, mit der das Grundprinzip unseres Zusammenlebens, die Familie mit all ihren Vor- und Nachteilen, übergangen oder für unnötig gehalten wird, um anderen Gesellschaftsmodellen den für ihre Verbreitung und Anerkennung nötigen Freiraum zu schaffen.
Dr
Diesen so einleuchtend guten Gedankenstrang von Dr. Thomas Goppel, möchte ich voll und ganz unterstützen. Ich wünsche mir hier mehr Einsicht in seine Ausführungen zu diesem Thema.
Nach der Auffassung von Kritikern sendet das Betreuungsgeld falsche Signale, da es die Frauen davon abhält wieder berufstätig zu werden. Mit anderen Worten: Nur eine berufstätige Mutter ist ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft.
Scheinbar ist dies die allein seligmachende Perspektive. Glaubt man denn wirklich, dass diese Leistung des Staates von derzeit 150.–€ pro Monat, die für ganze 22 Monate gewährt wird (vom 15. bis zum vollendeten 36. Lebensmonat eines Kindes) eine Mutter dauerhaft von der Berufstätigkeit abhält?
Nach Auffassung von Erziehungswissenschaftlern ist die Zeit im Leben eines Kindes bis etwa zum 50. Lebensmonat die Zeit, in der die Persönlichkeit am nachhaltigsten geprägt wird. Ist es also nicht begrüßenswert, wenn sich eine Mutter in dieser Lebensphase für ihr Kind entscheidet und die Erziehung in dieser Zeit nicht einem Hort mit wechselnden Bezugspersonen überlässt. Sie entscheidet sich damit ja auch gegen ein wesentlich höheres Einkommen aus dem Beruf.
Und eine Keule, darf ja in einem Kommentar zum Betreuungsgeld nicht fehlen: Die Möglichkeit der Zweckentfremdung des Geldes für alle möglichen Dinge, die mit dem Wohl des Kindes nichts zu tun haben.
Entschuldigung bitte, das kann natürlich mit dem Kindergeld, dem Elterngeld und allen anderen finanziellen Leistungen des Staates für Familien auch passieren.
Kurioserweise hört man im Zusammenhang mit Sachleistungen wie Essenspaketen bei Asylbewerbern immer wieder, dass Geldleistungen besser wären. Mit anderen Worten: Asylbewerbern traut man zu, mit dem Geld des Staates umgehen zu können. Den Eltern, die unseren Kulturkreis besser kennen als die meisten Asylbewerber, offenbar nicht.
Diese Logik kann ich nicht nachvollziehen.