„Meinung ist keine Nachricht“

12.02.2012 in Interviews. Kommentare deaktiviert für „Meinung ist keine Nachricht“.

CSU-Politiker Thomas Goppel beklagt „tendenziöse“ Berichterstattung vieler Medien

In der CSU nimmt die Verärgerung über eine angeblich „tendenziöse“ Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen zu. Nachdem vor einigen Wochen das CSU-Organ „Bayernkurier“ den Bayerischen Rundfunk als „Rot-Grün-Funk“ geißelte, meldeten sich jetzt auch in der CSU-Fraktion im Landtag mehrere Abgeordnete kritisch zu Wort. Unter ihnen der frühere CSU-Generalsekretär und Wissenschaftsminister Thomas Goppel. Er beklagt den Verlust von „Maß und Ziel in der Kritik“.

Frage: Herr Goppel, wie lange haben Sie – in Minuten gerechnet – das Dschungelcamp gesehen?Thomas Goppel: Vielleicht 20 Minuten, in sämtlichen Folgen zusammengenommen.

Sie haben also öfter mal reingeschaut?Goppel: Ich bin beim Zappen drei oder vier Mal hängen geblieben, aber beim Ekelgewürm mache ich immer Schluss, nutze den berühmten Knopf.

Der Verfall der Sitten ist Ihnen also nicht fremd. Warum regen Sie sich dann über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf?Goppel: RTL ist ein freier, frei finanzierter Sender. Da hab ich nichts reinzureden. Aber wenn ich morgens öffentlichrechtlich verantwortete Nachrichten höre, dann bekomme ich die von ARD oder ZDF und hab im Rundfunk fünf Sorten BR zur Auswahl. Dafür muss ich Gebühren zahlen. Und da vermittelt sich immer öfter und fortgesetzt der Eindruck, dass Journalisten nur und zuvorderst ihre Meinung zelebrieren, anstatt ordentlich zu berichten. Darüber beschwere ich mich. Oder besser gesagt: Ich frage nach.

Reden Sie darüber auch mal mit BR-Intendant Ulrich Wilhelm? Sie haben ja beste Beziehungen zu ihm. Schließlich war er, als Sie Minister waren, ihr Amtschef im Wissenschaftsministerium.Goppel: Selbstverständlich sage ich das auch dem Intendanten, wenn ich ihn treffe. Aber meine unmittelbaren Ansprechpartner sind die Redakteure und ihre Chefs, die direkt Verantwortlichen und nicht die Aufsicht.

Bekommen Sie Antworten, die Sie zufriedenstellen?Goppel: Na ja, da kommt dann die Berufung auf die Unterscheidung zwischen Bericht und Kommentar. Das lasse ich gelten. Aber der Kommentar muss vom Bericht abgesetzt sein. Das muss sauber getrennt werden. Der ständige Salat aus „Zwei in eins“ ist das Problem.

Soll denn Ihrer Meinung nach dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk jede Form von investigativem Journalismus untersagt sein?Goppel: Da müssen Sie mir jetzt erst mal sagen, was Sie darunter konkret verstehen.

Dass Journalisten sich einmischen.Goppel: Ja gut, das dürfen und das sollen sie. Aber es muss erkennbar sein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein Institut der Gemeinschaft. Da darf man doch nachfragen, ob das alles so richtig ist, wie dort Meldungen zustande kommen.

Zum Beispiel?Goppel: Was mich und viele meiner Kollegen sehr geärgert hat, war der Umgang mit dem Amt des Bundespräsidenten. Was soll die Frage einer Reporterin: Darf der Bundespräsident lügen? Wenn Herr Wulff etwas nicht sagt, dann können wir doch nicht dem Amt etwas unterstellen, was die Person falsch gemacht hat. Auf diese Weise verlieren wir unsere gemeinsame Basis, unsere gemeinsamen Werte und beschädigen ganz nebenbei ein Amt und seinen Stellenwert.

Wie meinen Sie das?Goppel: Wir hatten in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg ein gemeinsames Ziel, das hieß Freiheit statt Sozialismus.

Das war ein CSU-Slogan.Goppel: Ja, auch. Aber es war dennoch zuerst ein gemeinschaftliches Ziel. Auch der frühere SPD-Chef und Bundeskanzler Willy Brandt hat sich vom Sozialismus a la DDR abgegrenzt. Nach 1990 hat sich das geändert. Jetzt gibt es keine gemeinsam anerkannten Werte West oder Ost mehr, statt dessen werden Einzelne daran gemessen, ob sie irgendwelchen subjektiv definierten Kriterien genügen. Jeder reklamiert für sich, dass er das darf, was er (oder sie) gerade denkt oder tut. Ich sage, das ist kein Strickmuster für eine offene Gesellschaft. Darüber müssen wir reden.

Die Welt ist, wie der Philosoph Jürgen Habermas diagnostizierte, unübersichtlicher geworden.Goppel: Das ist ein treffender Begriff. Aber dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten die Unübersichtlichkeit zum Maßstab erheben, das geht nicht. Das macht auf Dauer den Staat kaputt. Wenn sich, zum Beispiel, jeder unter Familie was anderes vorstellt – Patchwork, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, Partnerschaften auf Zeit – dann geht jedes Maß für die staatliche Handlungsverpflichtung verloren. Familie ist Vater, Mutter, Kind. So steht es im Grundgesetz.

Mit Verlaub, kann es sein, dass Sie von gestern sind?Goppel: Selbstverständlich lege ich das Maß für unser gemeinsames Tun an den Erfahrungswerten von gestern an. Ich bin 64 Jahre alt. Nicht alles, was von gestern ist, ist deshalb schlecht. Mein Vater hat das 1962 schon vor dem Landtag gesagt: Im Mittelpunkt aller politischen Bemühungen steht der Mensch. Um diesem Prinzip Geltung zu verschaffen, brauchen wir einvernehmliche Grundsätze – auch heute, sonst funktioniert das nicht. Wenn Journalisten das Betreuungsgeld als Herdprämie definieren, dann beschimpfen sie Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern wollen. Da geht jedes Maß verloren. Und das Problem dabei ist: Den Journalisten wird sofort unterstellt, sie wären neutral. Im Gegensatz dazu, die Politiker dürfen das nicht für sich beanspruchen.

Was fordern Sie?Goppel: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Aufgabe, die Situation darzustellen. Er hat nicht die Aufgabe, Stimmung zu machen oder Tendenzjournalismus zu betreiben. Da ist ein anderer Stil gefragt. Den reklamiere ich.

Thomas Goppel

Der CSU-Politiker Thomas Goppel wurde 1947 in Aschaffenburg geboren. Der Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel war von 1986 bis 1998 und zwischen 2003 und 2008 in verschiedenen Funktionen Mitglied der bayerischen Staatsregierung. Thomas Goppel ist Mitglied des Bayerischen Landtags.

Das Gespräch führte Uli Bachmeier

Quelle: http://www.mainpost.de/ueberregional/meinung/-Meinung-ist-keine-Nachricht;art9517,6612877, zuletzt aufgerufen am 14.02.2012

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