Die Verbesserung der Musikkultur ist eine der Aufgaben des Bayerischen Musikrats, dem „Zusammenschluss aller Laien und Profis in der Musik in Bayern. Rund eine Million Menschen engagieren sich dort und tragen dazu bei, dass die Vielstimmigkeit erhalten bleibt und neue Ausformungen erfährt“, erläutert Dr. Thomas Goppel, seit 2008 Vorsitzender des Musikrats. Wir sprachen mit ihm über virtuelle Welten und konkrete Vorhaben.
globe-M: Die Begegnung mit Musik bedeutet für viele Menschen Konsum mit Knopf im Ohr und Mp3-Player. Glauben Sie, dass die Musik eine Chance bietet, der Vereinzelung durch den Computer zu entgehen?
Thomas Goppel: Wir müssen zu allererst mal festhalten, die Musik ist ein kommunikatives Instrument, und die Computer sind Vereinzelungsinstrumente, sie sorgen dafür, dass der einzelne sich abschottet und sieht, dass er sich sein Bild von der Welt macht, und die Musik kümmert sich darum, dass wir nicht in unserem Bild erstarren, sondern andere Bilder aufnehmen und in der Korrespondenz der Stimmen zueinander immer wieder Neues entdecken. Das kann die Musik, und da ist die Notwendigkeit, ganz früh anzufangen, denn wer schon einmal mit zehn, zwölf Jahren mit dem Computer zu viel Bekanntschaft geschlossen hat, ist schon autistisch unterwegs. Musik öffnet und schließt nicht. Wir wollen dafür sorgen, dass die Mehrheit in der Bevölkerung weiß, welche Stimulantien, welche Impulse Musik in jedem von uns freisetzt, egal ob er traurig oder gut gelaunt ist.
globe-M: Ist Musik nicht auch eine gute Möglichkeit, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden? Ich kann nicht die erste Geige spielen, aber ich kann Mitspieler sein, wenn auch vielleicht in der zweiten Reihe.
Thomas Goppel: Da ist die Musik sicherlich ein ganz wichtiges Instrument, weil sie auch je nach der Länge des Einsatzes und nach der Intensität des Einsatzes Einzelnen unterschiedliche Rollen zuteilt. Das Spannendste finde ich immer, wenn wir in einer Bildungseinrichtung in der diejenigen, die Beeinträchtigungen körperlicher oder geistiger Art haben, zusammenspielen lassen, dass da sehr viel schneller ein Zusammenklingen gefunden ist als bei allen anderen Dingen. Die Musik ist die Sprache der Seele, das Kognitive die Sprache des Verstandes, und wenn der Verstand die Seele nicht hat, klingt er nicht so, dass Menschen es hören.
globe-M: Was halten Sie von dem Begriff soziale Netzwerke? Das widerspricht eigentlich dem, was sie vorhin erwähnt haben, der Vereinzelung durch den Computer.
Thomas Goppel: Der Computer ist ein soziales Netzwerk in dem Augenblick, wo wir gelernt haben, mit denen, die dahinter sitzen, zu kommunizieren und nicht mit dem Computer. Aber wenn der Computer allein bleibt und in Wirklichkeit den anderen, der mir gegenüber sitzt, anonymisiert und wegdrückt, und nicht mehr die Person dahinter steht und wir wissen, wer hat das denn gesagt, und wir nur noch den Text haben, sind wir nicht in der Lage, echt zu antworten, sondern dann gibt es auch eine anonyme Antwort. Diese Anonymisierung der Gesellschaft führt letztlich wieder zu Big Brother und all dem, was wir schon einmal überwunden geglaubt haben. Wir brauchen dafür Sport, Musik, die Künste. Da die Musik am ehesten die Gemeinschaft fördert, hat sie den anderen ein großes Prä voraus.
globe-M: Die konkrete Umsetzung findet dann in der Schule statt. Welche Rolle spielen dabei die Musiklehrer?
Thomas Goppel: Ich sage erst einmal was Ketzerisches: im Gegensatz zur Meinung vieler Musiklehrer bin ich der Auffassung, dass es sinnvoll ist, darüber nachzudenken, ob sie nicht zwei Fächer geben, damit man sie auch mitten im Leben stehen spürt, also der macht Geschichte und Musik, Deutsch und Musik. Es gibt ja solche, aber wenige. Das ist das eine. Das andere ist: die Musik muss unbedingt vom Kindergarten aus, wo bis jetzt überhaupt nichts in dieser Richtung gemacht wird, ein Stück weit die Kinder frühzeitig gewinnen, sich selbst zu betätigen, Antworten zu geben und nicht nur Fragen zu stellen. Und dann wird das aufbauend im Schulbereich natürlich da sein, die Bläserklassen sind ein guter Akzent, die Einspielung zum Beispiel bei Schulorchestern geht noch besser und weiter. Interessanterweise nehmen ja die Ausländer an unseren Musikhochschulen im Augenblick eher wieder ab, und die eigenen kommen nach. Das ist ein gutes Signal, und da arbeiten wir so gut wir können hinterher, damit der Nachwuchs nicht ausstirbt.
globe-M: Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Roland Opschondek …
Zur Person
Dr. Thomas Goppel, Staatsminister a.D., ist seit 2008 Präsident des Bayerischen Musikrats e.V., er ist Mitglied des Bayerischen Landtags (CSU) und war von 1986 bis 1998 und 2003 bis 2008 in verschiedenen Funktionen Mitglied der Bayerischen Staatsregierung.
Quelle: globe-M vom 5.9.2011, http://www.globe-m.de/de/experts/antworten-geben-nicht-nur-fragen-stellen, zuletzt aufgerufen am 13.9.2011